Smart City – ein facettenreiher Begriff, der im weltweiten Urbanisierungsprozess eine Schlüsselrolle spielt und Stadtentwicklung in Richtung auf gesamtheitliche Entwicklungskonzepte und Ressourcen-Effizienz vorbringen soll. Smart City – der Begriff steht auch als ein Synonym für intelligente Städte, die mit digitalen Technologien und Kommunikationstechnologien ausgestattet werden, um Infrastrukturen, Mobilität und das soziale Zusammenleben zu verbessern, und nachhaltig zu gestalten.
Eine Vielzahl von Ansätzen wird weltweit verfolgt und in vielfältigen Pilot- und Städtebauprojekten umgesetzt. In China werden über 200 Smart-City-Projekte realisiert, Indien hat etwa 90 SmartCity-Städte initiiert und setzt dort auch umfassende Bürgerbeteiligung mit um.
Weltweit sind wenigstens 120 weitere Städte mit SmartCity-Strategien und Projekten im Rennen. Die 25 smartesten Städte der Welt wurden vor einem Jahr benannt: „IoT-Infrastruktur: Die 25+ smartesten Städte der Welt“ ( Jürgen Schreier | 07.06.2018 | INDUSTRY OF THINGS ).
Doch die Syntegration digitaler Technologien steckt weltweit noch in den Kinderschuhen. Echte Stadtsysteme wachsen bisher nur strangartig als Verkehrsüberwachungssysteme, als gesteuerte Lichtsysteme und als Ticket- und Überwachungssysteme heran. Gesichtserkennung spielt in China eine zentrale Rolle, in Chicago setzt man auf die datengetriebene Stadt, die mit Data Analytics und Predictive Computing gesteuert werden soll.
Internet, eCommerce und Online-Handel verwandeln inzwischen fast jede Stadt in eine SmartCity, in der verhaltensbasierte Werbung und Big-Data-Warenwirtschafts- und Logistik-Systeme die Regie und Marktführerschaft übernehmen.
Das Smart Home steht noch als Vision daneben, auch noch nicht ganz ausgereift. Apps können Gebäudefunktionen von Außen und Innen steuern: Sicherheit, Türkamera, Schließmechanismus und Heizung und Klimaanlage. Rauchmelder, Kohlenmonoxid-Warngeräte und Sprachassistenzsysteme wie Alexa dringen inzwischen in den urbanen Alltag vor. Tech- und Produktdesign gleiten auch ab: Gadgets und Spielereien sind in den Elektronikmärkten zu finden, schnelllebige Produkte, die auch schnell zum Elektroschrott werden.
Ein humanes, soziales und nachhaltiges Design, das den Menschen und Stadtbürger, den Citizen, in den Mittelpunkt stellt, muss sich erst noch entwickeln.
Humane, soziale und ökonomische Dimensionen der SmartCity
Smart City ist aber noch mehr: auch humane, gesellschaftliche und wirtschaftliche Dimensionen werden mit dem Begriff verbunden. Moderne Städte müssen lebensfreundlicher werden, gesünder, grüner und sozial inklusiver gestaltet werden. Wohnlichkeit und Geborgenheit sind Anforderungen an die Gestaltung, das menschliche Maß ist in jedem Plan zu bedenken.
Weltoffenheit, Diversität, kognitive Dissonanzen, Toleranz und Interkultur in den Städten sind soziale Grundbedingungen, die Zusammenleben, Prosperität und Wohlstand möglich machen. Soziale Intelligenz und kreative Intelligenz der Stadtgesellschaften sind weitere, immaterielle Dimensionen, die über die Zukunftsfähigkeit und Anpassungsfähigkeit einer Smart City und ihrer Citizens bestimmen.
In der ausgehenden Industriegesellschaft verändern digitale Technologien auf grundlegende Weise alle Arbeitsteilungen. Der Mensch schafft dabei Kommunikationsmöglichkeiten, die dem Entwerfen, Vordenken und Programmieren immer mehr Bedeutung verschaffen. Individuelle Bildung und Gestaltungsfähigkeiten wachsen, Teamarbeit und Kollaboration werden tragende Prinzipien. Digitale Kompetenz tritt neben die Bildungskonzepte für den mündigen (analogen) Bürger.
Ganz selbstverständlich muss auch über eine Demokratisierung des „Vordenkens“ verhandelt werden. Partizipative Planung und Partizipation bei Entscheidungen werden zum unerlässlichen Erfordernis. Wir brauchen aber auch direkte kollaborative Gestaltungs- und Aktionsformen, die Mitwelt, Stadtkultur und Umwelt direkt, aktions- und prozeßgebunden verändern.
Kinderbeteiligungsverfahren sind inzwischen gut erprobt, doch komplexe Vorhaben mit vielen elementaren Interessen sind bisher oft nur im Konflikt und Widerstreit auflösbar.
Ausgerechnet im Wohnungs- und Städtbau fehlen noch partizipative Planungs- und Bauverfahren. Beteiligungsverfahren entwickeln sich daher oft zu Verzögerungs- und Problemverlagerungs-Verfahren. Doch Städte sind dynamische Gebilde, die organisches Wachstum und stete Erneuerung erfordern. Stillstand in einem Bereich, sorgt für Disparitäten und Nöte in anderen Bereichen.
Stadtentwicklungspolitik muss daher ausgleichend, kreativ und sozial ausgleichend agieren, um städtebauliche Dynamik in Gang zu halten. Die humanen Dimensionen der lokalen Nachbarschaften, das Bauen der Stadt für Menschen und die Ökonomie der Stadt müssen immer mit sozioökonomischem Augenmaß geplant und bedacht werden.
Das Leitbild der SmartCity als soziale und intelligente Stadt ist gefordert, mit der Verfasstheit einer offenen, sozialen und humanen und interkulturellen Stadtgesellschaft.
Was allen technokratischen Entwürfen und SmartCity-Strategien dazu bisher fehlt: die vielfältigen Dimensionen der Pressefreiheit, die Basis für demokratische und offene Gesellschaften bildet.
Die wirtschaftlichen Dimensionen der SmartCity
Städte werden auch durch technische, wirtschaftliche und und volkswirtschaftliche Dimensionen geprägt. Wenn sich Weltoffenheit, Diversität, Toleranz, Neugier, Wissensdurst und Lebensfreude verwirklichen sollen, müssen Stadtbewohner (Citizens) sich in Ordnungsmustern der freien und sozialen Marktwirtschaft sowie kommunalen und gemeinwirtschaftlichen Mustern frei entfalten können.
Alle Erfindungen, Ideen und Konzepte, die darauf abzielen, Städte effizienter, sozialer und technologisch fortschrittlicher zu gestalten, beinhalten technische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Innovationen, die nur durch Interkommunikation, Kollaboration und durch Syntegration und dauerhaftes Zusammenwirken in Synergien herstellbar sind.
Seit dem Mittelalter haben sich alle Städte nach universellen Prinzipien der Polis entwickelt. Wohlstand und Prosperität entfalteten sich im Rahmen eines „kooperativen Beziehungsgeflechts“ zwischen Bürger, Stadtverwaltung, Wirtschaft, Wissenschaft und Politik, das auf Stadtfreiheit und Freiheiten des Individuums basiert. Lebenslange wirtschaftliche Entfaltungsfreiheit gehört dazu. Dies muss jedoch für alle Stadtbürger gleichermaßen gesichert werden. Partizipation und Bürgerbeteiligung bei Großbauprojekten und in der Stadt- und Raumplanung sind dabei Ziele, die längst in Kommunalverfassungen verankert, aber noch nicht intelligent genug praktiziert werden.
Die neuen digitalen Technologien zwingen nun dazu, die gesellschaftlich notwendigen Prozesse von Interkommunikation, Kollaboration und Synergien in allen sozialen, medialen, technischen und wirtschaftlichen Dimensionen zu gestalten.
Gelingt dabei die Verständigung zu einem Leitbild der „sozialen, intelligenten und syntegrativen SmartCity“, so können weite Teile der wirtschaftlichen Wertschöpfung in automatisierte „Stadtsysteme“ verlagert werden. Diese können als „private Plattform“ oder als kommunale und gemeinschaftliche Plattformen, prirvate Unternehmen und Netzwerke funktionieren.
Die Idee der „sozialen, intelligenten und syntegrativen SmartCity“ geht über die Nutzbarmachung digitaler Technologien hinaus und ist zugleich eine Reaktion auf die heutigen wirtschaftlichen, sozialen und politischen Herausforderungen in allen postindustriellen Gesellschaften und die Klimaveränderungen, mit denen die Menschheit seit der Jahrtausendwende konfrontiert ist.
Im Fokus stehen hierbei der Umgang mit Umweltverschmutzung, mit dem demographischen Wandel, mit Bevölkerungswachstum, Finanzierung und Ressourcenknappheit. Breiter gefasst, schließt der Begriff der „sozialen, intelligenten und syntegrativen SmartCity“ auch nicht-technische Innovationen mit ein, die zum besseren und nachhaltigeren Leben in der Stadt beitragen.
Dazu gehören beispielsweise Konzepte des Teilens (Share Economy), Genossenschaftsmodelle, Anteils- und Nießbrauchmodelle, sozialstaatliche Sicherungsmodelle und privatwirtschaftliche Unternehmen mit sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmern und Kapitalbeteiligungen (Rente, Gewinnanteile, Aktien, Genossenschaftspapiere).
Bisher in der analogen Politik umstrittene Fragen von „sozialer Gerechtigkeit“, „Chancengleichheit“ und „Verteilungsgerechtigkeit“ werden künftig in der „Transaktionsökonomie“ der digitalen Stadt und in der „digitalen Volkswirtschaft“ finanzmathematisch und ökonomisch operationalisiert.
In der syntegrativen SmartCity ist es sinnvoll, externe soziale Kosten infolge von Armut und Erwerbslosigkeit zu vermeiden, und in tragfähige Geschäftsprozesse zu verwandeln. Die Stadtgesellschaft kann sich damit belohnen, Abgaben und Umlagen zu senken.
Zwei Paradigmen: Smart City versus Smart Citizens
In technischen Szenarien ist die hochentwickelte Smart City ein von Datencentern und Technologien gesteuertes Stadtsystem. Es wird aber von Menschen entworfen, programmiert und soll als menschlicher Lebensraum genutzt werden.
Die meisten Akteure sehen die hochentwickelte Smart City bisher als ein Internet of Things and Services: Die gesamte städtische Umgebung ist dabei mit Sensoren versehen, die sämtliche erfassten Daten in der IT-Cloud verfügbar machen. So entsteht eine permanente Interaktion zwischen Stadtbewohnern und der sie umgebenden Technologie. Die Stadtbewohner werden dabei Teil der technischen Infrastruktur einer Stadt. Über die Bewertung solcher Szenarien herrscht jedoch große Uneinigkeit. Die Gefahr der technologischen Abhängigkeit und „digitaler Vorbestimmung“ und neuer Unfreiheit steht dabei im Raum.
Das Paradigma des „Smart Citizens“ baut dagegen auf das Leitbild der „inklusiven, sozialen, intelligenten und syntegrativen SmartCity“. Zentrale Schnittstelle zwischen technischer IT-Infrastruktur, Stadtsystemen und allen Angeboten und Diensten der Stadt und allen Angeboten und Diensten der Citizens und wirtschaftlichen Akteure sind „Bildschirme und Anzeigen“ (screens and displays).
Das Paradigma des „Smart Citizens“ baut auf einer gänzlich anderen Blickrichtung auf: mit dem Auge einer künstlichen Intelligenz im Data-Center wird auf die Citizens „vor den Bildschirmen“ geschaut und gefragt:
„Welche Anzeigen“ sind sinnvoll und notwendig, um intelligenten Stadtbürgern auf komfortable Art und Weise frei wählbare und sinnvolle Optionen bereit zu stellen?
Wie kann die analoge Option dargestellt werden, um nach dem 2-Sinne-Prinzip auch behinderten und blinden Citizens Teilhabe zu ermöglichen? Wie kann „Open Access for All“ sichergestellt werden, ohne auf komplexes Vorwissen und Suchmaschinen angewiesen zu sein?
Wie müssen wirtschaftliche Transaktionen und human-digitale Arbeitsteilungen und eCommerce gestaltet werden, um individuelle Arbeit, Wertschöpfung, betriebswirtschaftliche und volkswirtschaftliche Wertschöpfung für eine ausgeglichene SmartCity-Bilanz zu optimieren?
Wie können dabei Pressefreiheit, Stadtfreiheit, individuelle Entfaltungsfreiheit und wirtschaftliche Entfaltungsfreiheiten gesichert werden?
Mit der Methode „Pictures of Future“ wurde das Leitbild der „inklusiven, sozialen, intelligenten und syntegrativen SmartCity“ entwickelt. Das verblüffende Ergebnis: Vereinfachung und Open Access und einfache, technologieoffene Lösungen liegen zwischen der heutigen chaotischen Internet-Technologie und einem Zukunftsbild. Public Open Innovation, kollaboratives Entwerfen und Design Thinking für soziale Entscheidungsprozesse und Partizipation müssen dazu ermöglicht werden!
Mit dem Claim: „Einfach. SmartCity. Machen: Berlin“ wird direkt in die praktische Umsetzung gestartet.
Dipl.-Ing. Michael Springer, 1.Juni 2019 V.1.1